Über der Eingangstür der alten Mühle sieht man als ihr Erkennungsmerkmal ein weißes Ross, darüber eine Krone, darunter die Jahreszahl 1723. Das weiße Ross kennen wir ja als Wappentier Niedersachsens, auch im Wappen von Nordrhein-Westfalen ist es enthalten. Ursprünglich ist es das Sinnbild des Sachsenvolkes, es wurde aber seit dem 14. Jahrhundert zum Kennzeichen des Herzogshauses der Welfen. Die Welfen sind allesamt Nachfahren des Herzogs Heinrich des Löwen. Was bedeutet nun dies Welfenross und was die Krone an der Mühle in Markoldendorf? Wir wissen aus der Geschichte, dass Markoldendorf 1723 nicht zu den welfischen Besitzungen, sondern zum Bistum Hildesheim gehört hat. Die Lösung der Frage führt direkt in die spannende Geschichte der Bruchmühle. Sie gehörte zu dieser Zeit nämlich nicht dem Landesherren, also dem Hildesheimer Bischof, sondern dem welfischen Kurfürsten von Hannover, Georg Ludwig, der seit 1714 zugleich König von England war und sich dort Georg I nannte. Die Krone ist tatsächlich die englische Königskrone. Die Frage, wie es nun dazu kam, dass die Mühle dessen persönlicher Besitz war, soll uns in alte Zeiten führen.
Markoldendorf gehörte ursprünglich zum Besitz der Grafen von Dassel, kam nach deren Aussterben 1215 an das Bistum Hildesheim. Die Bischöfe verliehen dem Ort 1315 Marktrechte und 1437 Fleckensrechte. Nach völliger Verwüstung des Ortes in einer Fehde 1479 genehmigte der Bischof der Gemeinde, eine eigene Mühle zu errichten. Das war ein ungewöhnlicher Vorgang, denn das Betreiben einer Mühle war ein sogenanntes Regal, also ein exklusives Recht des Landesherren. Die Untertanen waren bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gezwungen, ihr Getreide in dessen Mühle mahlen zu lassen, was für diesen und auch für die jeweiligen Mühlenpächter ein sehr lukratives Geschäft war. Allerdings behielt sich der Bischof vor, seine eigene Mühle wieder zu errichten. Die nächste Nachricht ist von 1521. Da ist die Bruchmühle ein weiteres Mal in der Hildesheimer Stiftsfehde eingeäschert worden. Das Ergebnis dieses Krieges war unter anderem, dass die alte Grafschaft Dassel, die seit 1315 dem Bistum Hildesheim gehört hatte, und mit ihr Markoldendorf dem welfischen Herzog Erich I übergeben wurde, womit (bis 1643) welfische Fürsten hier Landesherren waren. Bis zum Jahr 1802 ging die Grafschaft Dassel dann wieder an das Bistum. Im 30- jährigen Krieg soll die Mühle ein weiteres Mal abgebrannt sein. 1530 verkaufte sie die Gemeinde Markoldendorf an Herzog Erich I, sie wurde damit ein Allod, d.h. Eigenbesitz des Welfenhauses. Das Herzogshaus der Welfen, das sich bis heute „Herzogshaus Braunschweig- Lüneburg“ nennt, bestand zwar aus sich immer wieder neu bildenden Familienzweigen, die durchaus in Konkurrenz, gelegentlich auch in Feindschaft zu einander standen. Wenn aber einer dieser Familienzweige ausstarb, fiel dessen Erbe immer an einen anderen Zweig der fürstlichen Großfamilie.
So besaß seit 1613 Herzog Heinrich Ulrich von Braunschweig die Mühle, 1614 oder 1620 hat er sie und zahlreiche andere gewinnbringende Besitztümer wie z.B. die Saline Juliushall an den Einbecker Patrizier Heinrich Diek verpfändet. Es ist nicht geklärt, wie lange dieser und seine Nachkommen nun die Einnahmen einstreichen konnten. Belegt ist durch Quittungen, dass durch den Müller Johann Steffen Münder die Pacht für das Jahr 1722 an die Wolfenbütteler Kanzlei des Herzogs August Wilhelm eingeliefert wurde. Ende 1722 erbte dessen Sohn Johann Friedrich die Verträge, erwarb aber nun die Mühle gegen Zahlung einer Erbzinspacht. Diese bezahlte er erstmalig für das Jahr 1723 an die „Königl.Groß Brit. Zur Churfl. Braunschw. Lüneb. Regierımg Verordnete Gehbte Räthe“. Das kann nur darauf beruhen, dass zwei der zu dieser Zeit bestehenden Zweige der Welfenfamilie (Hannover- Großbritannien und Braunschweig-Wolfenbüttel) an den Einnahmen gleiche Rechte hatten und sie jährlich abwechselnd erhielten. Diese Regelung wurde bis etwa 1860 beibehalten.
Die nächsten Inhaber der Bruchmühle waren Christof Münder, Fr. Nolte und Fr. Gehrke. 1842 kaufte Heinrich Volger die Mühle. Er entstammte der ausgedehnten Familie Volger, die im 14.Jahrhundert in Hannover zu Reichtum und großem Ansehen gekommen waren und mehrere Güter und Höfe erworben hatten, so unter anderem in Ellensen, und in Markoldendorf den„großen“ und den „kleinen“ Volgerhof. Heinrich Volger entstammte dem Ellenser Hof. Er brachte den Betrieb auf modernen Stand, legte zahlreiche An- und Umbauten an, erwarb Gärten und Ländereien, schaffte eine Dreschmaschine an und erreichte die Ablösung der Erbzinslasten. Dies alles lässt darauf schließen, dass das Müllergewerbe sehr einträglich gewesen sein muss. 1878 übernahm sein Sohn August Volger den Betrieb und modernisierte weiter, indem er das hohe Mühlengebäude auf den südlichen Teil des alten Mühlenhauses setzte und eine Sägemühle erbaute, eine Wasserleitung anlegte, eine Dampfmaschine und später eine Turbine anschaffte und elektrischen Strom legen ließ. Der erste Weltkrieg dann wurde zur schweren Schicksalszeit für die Bruchmühle. August Volger wurde als Soldat eingezogen und fiel am 5. Mai 1917. Sein zweiter Sohn, der als Mühlenerbe ausersehen war, musste ebenfalls als Soldat am 25. Oktober 1917 sein Leben lassen. Nun musste der älteste Bruder Wilhelm einspringen. Er hatte eigentlich einen anderen Lebensweg gewählt, alte Sprachen studiert und war Studienrat geworden. Er nahm die Last auf sich, den Betrieb weiter zu führen, der zu allem Unglück auch noch im Jahr 1915 einen schweren Brandschaden erlitten hatte und infolge der schlechten Zeiten am Ende des Krieges vorübergehend stillstand. Es gelang ihm, den Betrieb wieder auf die Beine zu bringen, und erfolgreich zu leiten, bis endlich 1932 seine Schwester Agnes einen Müllermeister heiratete, Otto Sonnemann, der dann das Ruder übernahm. Er führte eine eigene Elektrizitätsversorgung ein, die sich später in der Nachkriegszeit sehr bewähren sollte, wenn ansonsten überall Stromsperre war. Der zweite Weltkrieg ging insoweit glücklicher vorbei, als dass Otto Sonnemann nur kurzfristig eingezogen war und gesund heimkam und der Betrieb aufrecht erhalten blieb. Am 10. April 1945 eroberten amerikanische Truppen Markoldendorf. Dabei geriet die Bruchmühle unter Beschuss und erhielt einige schwere Granattreffer. Ein entstehender Brand konnte gelöscht werden. Das Haus füllte sich mit zahlreichen Flüchtlingen und Ausgebombten aus der Verwandtschaft. Für einige Jahre hatte noch eine Werkstatt Unterkunft gefunden, die Holzspulen für Webstühle herstellte. Der Mühlenbetrieb florierte in den Nachkriegsjahren, die Erbauung des großen Getreidesilos wurde nötig. Aber schon in den 60er Jahren begann die schwere Krise der mittelständischen Mühlenunternehmen. Nach dem Tode Otto Sonnemanns 1965 übernahmen dessen Kinder Hans und Margarethe den Betrieb und widersetzten sich dem Mühlensterben mit großem Fleiß. Margarethe heiratete den Müllermeister Friedrich Stengel. Nach dem Tode des Bruders Hans reichten Gesundheit und Kraft Beider nicht mehr und der Betrieb endete. Friedrich Stengel starb 2010, Margarethe 2011.
Die Mühle wurde an Steffen Rohmeier verkauft, der dieses geschichtsträchtige Haus einer neuen hoffnungsvollen Bestimmung zuführen will.